Posted by Lorenz Abu Isbeih on 17 Sep 2018 in Smartphones, Gesellschaft
Der Wunsch nach ständiger Erreichbarkeit für Eltern und Kind führt immer früher zur Überlassung von Smartphones an
Minderjährige. Doch der Abschluss eines Mobilfunkvertrages oder eines Telefonanschlusses ist erst ab Volljährigkeit
möglich und der Verkauf eines Smartphones an Minderjährige könnte am "Taschengeld-Paragraphen" scheitern bzw. zu Lasten
des Verkäufers gehen. Das hält Eltern aber nicht davon ab, den Kindern ein Smartphone und die Internet-Nutzung zu überlassen. So ein Smartphone ist ein vollwertiger Computer und leider kann man damit deutlich mehr machen als nur telefonieren. Die vielen Funktionen verleiten zum Spieltrieb - für alt und jung - ohne die Folgen und Grenzen zu erkennen. Das eigentliche Ziel der gegenseitigen Erreichbarkeit wurde dabei schnell verfehlt. Nach übermäßiger Nutzung, leeren Prepaid-Kontos sowie den Abo-Fallen durch das "altmodische Telefonieren" nimmt mit
den "neumodischen" Internet-Diensten eine Verlagerung der Herausforderungen, Folgen und scheinbaren Grenzenlosigkeit
statt. Viele Erwachsene sind hierbei selbst Spielkinder und leider keine guten Vorbilder. Kleingedrucktes wird gerne überlesen oder bewusst aus eigenem Komfort oder Spieltrieb ignoriert. Vielen Eltern fehlt der kritische - auch selbstkritische - Umgang mit den neuen Medien. Es fehlt an Sensibilität für mögliche Herausforderungen oder sogar Gefahren, da Erwachsene selbstverständlich auch aus
einem anderen Blickwinkel auf die Informationen auf dem Display schauen als Kinder dieses tun. Es fehlt an Zeit oder die Priorität sich Zeit zu nehmen, um sich bzgl. der neuen Medien Basis-Wissen anzueignen -
stattdessen wird blauäugig auf der Worl-Wide-Welle drauflos gesurft.
Es ist neu, es ist in, es ist cool - so nimmt die Gruppendynamik ihren schnellen Lauf. Dazu kommen auch noch gesellschafts-politische Forderungen nach "Always-Online" und freiem Internet an jedem Ort. So führte diese Forderung auch zum freien WLAN-Zugang in vielen Orten und in vielen Geschäften und Einrichtungen. Das stellt vor allem Eltern vor einige Herausforderungen. Liest man einige Gerichtsurteile aus den vergangenen Monaten, so sind die Pflichten der Eltern klar erkennbar. Urteil aus 2017: * es sei Aufgabe der Eltern, hier Gefahren von Kindern abzuwenden, * dass minderjährige Kinder grundsätzlich beim Umgang mit dem digitalen Gerät überwacht werden müssen, * mit dem Kind einen sogenannten Mediennutzungsvertrag abschließen, * die Nutzung des Smartphones [...] zu begleiten und ihrer Aufsichtspflicht ordnungsgemäß nachzukommen, * Aufsichtspflicht endet erst mit der Volljährigkeit des Kindes, * von allen Kontakten im Telefonbuch des Kindes eine Zustimmung einzuholen, bevor dieser weiterhin WhatsApp nutzen
könne,
* u.s.w. https://www.anwalt.de/rechtstipps/whatsapp-aufsichtspflicht-der-eltern-bei-mediennutzung-minderjaehriger_113222.html * kein Grundrecht auf Smartphone https://www.teltarif.de/mobilfunk-urteil-smartphone-erziehung/news/68640.html Urteil aus 2016: * dass Messenger wie WhatsApp für Kinder und Jugendliche unter 16 eine Gefahr für ihre Privatsphäre und Entwicklung
darstellen könnten, * Smartphones könnten in dem Alter nicht ohne jegliche Überwachung ausgehändigt werden. https://www.hersfelder-zeitung.de/lokales/rotenburg/gericht-vater-muss-whatsapp-handys-seiner-kinder-loeschen-6659720.html Diese Urteile zeigen zwei Aspekte: zum einen die Uneinigkeit zwischen Eltern, welche zu einer gerichtlichen
Auseinandersetzung führt und zum anderen die rechtliche Position der Eltern, der Kinder und Jugendlichen sowie der
Nutzer von Internet-Diensten im Allgemeinen und der Anbieter dieser Internet-Dienste. Doch es gibt noch weitere Aspekte, die in diesen Urteilen nicht erkennbar sind. Smartphone sind heute ein Status-Symbol. Dieses führt zu einer extremen Markenwahrnehmung, die im Vergleich zum Automobilsektor mit Volkswagen und Mercedes den
minderjährigen bisher nur als Spielquartett oder eben über die Erwachsenen zugänglich war. Doch heute tragen bereits
viele 10-jährige Kinder ein Smartphone für mehrere hundert Euro völlig selbstverständlich in Ihrer Hosentasche achtlos
mit sich herum. Die vermeintliche Anonymität bietet eine scheinbar grenzenlose Freiheit. Die virtuelle Identitätssuche hat schon seit Beginn der Heimcomputer ihre Nebenwirkungen und Sucht-Potentiale
aufgezeigt. Doch erst heute - über 30 Jahre später - wird dieses Phänomen als Krankheit auch in der Gesellschaft
erkannt. Für Erwachsene ist es eine zeit- und ggf. kostspielige Krankheit. Bei Kindern und Jugendlichen wird die Entwicklung
in grundlegenden Jahren erheblich gestört - die Folgen sind unabsehbar. Die geliebte Freiheit und Sicherheit wird verworfen. Die reale Freiheit und die gesellschaftlichen Errungenschaften in Recht und Ordnung werden durch das
Always-Online-Prinzip, dem rechtlich grenzüberschreitenden Austausch und dem damit eröffneten Datenmissbrauch
bereits heute stark eingeschränkt.
So wird kaum ein Nutzer die möglichen Folgen der Nutzungs- oder Datenschutzbestimmungen auf Basis eines fremden
Rechtssystems überschauen können. Der öffentliche Raum beginnt und endet nicht mehr an der Haustür. Stattdessen beginnt und
endet die Wahrung der Privatsphäre bestenfalls mit dem Ein- und Ausschalten der
"smarten Devices". Doch auch während der Abstinenz ist die Privatsphäre des digitalen Daseins
weiterhin bedroht. Die einmal hinterlassenen Daten werden genutzt, selbst durch die Abstinenz
werden Daten erzeugt und entwickeln zusammen ein Eigenleben, welches nur noch durch den enormen
Zuwachs an Daten im Allgemeinen eine Vergänglichkeit erhalten könnte. Doch finden diese Daten - und scheinen diese noch so unwichtig oder von fragwürdiger Qualität -
einen Nutzer, so findet eine ungeplante Vererbung und ggf. Vermehrung von Inhalten statt. So liegen die Herausforderungen nicht nur in der Quantität der permanenten Kommunikationsbereitschaft und dem
privaten und zum Teil öffentlichen Austausch von Informationen, sondern auch in der Qualität der - oft fragwürdige -
Inhalte. Bei Abwägung zwischen Chancen und Risiken muss im Zweifel der Verstand siegen. All diesen Herausforderungen sind Kinder und Jugendliche nicht gewachsen - und manche Erwachsene eben auch nicht.